Robert Halvers - Portrait
HALVERS WOCHE

|

Robert Halver

|

6. September 2023

Anstrengungsloser Wohlstand ist nur Wunschdenken

Halvers Woche - FollowMyMoney

Das Schlaraffenland ist eine wunderbare Theorie: Alles ist immer im Überfluss und umsonst verfügbar. In der Praxis jedoch sind die Gesetze des Wirtschaftens gnadenlos: Keine Leistung ohne Gegenleistung. Dennoch suggerieren manche Politiker, diese Regeln außer Kraft setzen zu können. Doch am Ende zahlen wir dafür alle einen extrem hohen Preis.

In Deutschland, das über keine bedeutenden Rohstoffe verfügt, muss alles, was wir zur Befriedigung unserer Bedürfnisse oder auch Ansprüche brauchen, irgendwie erwirtschaftet und bezahlt werden. Umsonst und im Überfluss gibt es nur die Luft zum Atmen.

Diese vernünftige Einschätzung war in Deutschland jahrzehntelang Mainstream. Von nichts kommt nichts. Insgesamt haben uns unsere deutschen Wirtschaftstugenden wie Fleiß, Innovation, Qualität oder Zuverlässigkeit eine brillante Industriegüterkultur hervorgebracht und uns einen Massenwohlstand beschert, um den uns die ganze Welt beneidete.

Nicht zuletzt warf dieses Wirtschaftssystem so viel ab, dass auch Sozialleistungen für z.B. alleinerziehende Mütter, arme Familien und Rentner oder Menschen mit Behinderung gezahlt werden konnten.

Die deutsche (Auto-)Industrie ist nicht mehr einzigartig

Vor diesem Hintergrund sollte klar sein, dass man dieses deutsche Erfolgsmodell weiterführen muss, um die wirtschaftliche und soziale Zukunft zu sichern. Das gilt primär für die Bereiche, in denen große Expertise besteht, z.B. im Autobau. Hier waren wir lange Zeit die Innovations-Weltmeister, das Maß aller Dinge. Und da davon auszugehen ist, dass weltweit auch morgen und übermorgen noch Autos über die Straßen fahren, bleibt dieses Geschäftsmodell auch lebendig.

Allerdings wird der Wettbewerb immer brutaler. China will die Auto-Zukunft gewinnen und wirft uns eiskalt den Fehdehandschuh hin. Die IAA Mobility in München beweist dies deutlich: Chinesische Hersteller treten dort mit großem Selbstbewusstsein auf. Sie haben die größten Stände und Pressekonferenzen finden sogar auf Mandarin statt. Für sie sprechen zunächst massive Kostenvorteile. Hinzu kommt, dass sie nicht unter jenen Kinderkrankheiten leiden wie das noch vor etwa 50 Jahren bei japanischen Autos der Fall war. Vor allem aber haben die Chinesen bei der E-Mobilität vielfach die Nase vorn und können so im hart umkämpften Massenmarkt mit Innovationsführerschaft glänzen, was den mental vielleicht schwierigen Wechsel von Deutsch auf Chinesisch auch abseits des Preisvorteils erleichtert.

Diesem Wettbewerbskampf – übrigens auch gegenüber Tesla – muss sich die Autoindustrie zunächst selbst stellen. Sie hat die großen und versäumten Hausaufgaben zu machen bzw. nachzuholen. Wenn es nicht mehr wie früher automatisch süßen Brei vom Himmel regnet, muss man ihn sich selbst kochen.

Das wirtschaftspolitische Umfeld hat für gute Stimmung zu sorgen

Doch wird man in Deutschland immer weniger Autos bauen, wenn der Industriestandort nicht wettbewerbsfähig ist. Deutschland gehört nicht mehr zu den 20 wettbewerbsfähigsten Staaten der Welt. Unsere Konkurrenten nutzen diese Schwäche schamlos aus. Vor diesem Hintergrund kann die Berliner Wirtschaftspolitik von deutschen Autobauern nicht verlangen, im Heimatland zu investieren, wenn es an attraktiven Rahmenbedingungen – erstklassige (Netz-)Infrastruktur, gutes Bildungssystem ohne Lehrermangel, akzeptable Steuerbelastung und Bürokratie, Innovations- und Start up-Förderung, im weltweiten Vergleich tragbare Energiepreise – mangelt. Heimatliebe spielt in der Wirtschaft keine Rolle. Ganz wichtig ist Planungssicherheit. Viele Firmen fragen sich, was kommt da in Deutschland noch auf mich zu. Die Katze im Sack will niemand kaufen. Da geht man lieber dorthin, wo das Wirtschaftsumfeld freundlich und klar wie Kloßbrühe ist. So gehen leider auch Arbeitsplätze und Wohlstand in Deutschland verloren.

Seit Kriegsende waren wir sehr lange Zeit verwöhnt durch Politikern mit viel Wirtschaftssachverstand. Denken wir an Ludwig Erhard mit seiner sozialen Marktwirtschaft oder an Helmut Schmidt, der dem damaligen US-Präsidenten Jimmy Carter auf G6- bzw. später G7-Gipfeln Nachhilfe in Wirtschaftsfragen gab.

Heutzutage allerdings lässt die Wirtschaftskompetenz nach. Das ist gefährlich, wenn sich genau diese in vielen unserer aufkommenden aber auch etablierten Konkurrenzländer immer größerer Beliebtheit erfreut. Der größte Einbruch der Auftragseingänge in der Industrie seit gut drei Jahren sollte als Gedankenfutter dienen. Wenn der deutsche Wirtschaftsminister von einer anspruchsvollen Wirtschaftslage spricht, ist jetzt die Gelegenheit, anspruchsvolle Wirtschaftspolitik zu betreiben.

Bloß keine ideologischen Wirtschafts-Experimente

Deutschland lebt immer mehr von seiner Substanz. Seit Schröders Agenda 2010 fehlt es an Strukturreformen, weil es den Wahlergebnissen der SPD nicht gutgetan hat. Diese Angst vor dem Wähler ist auch der Grund, dass die Nachfolgeregierungen eher die Hände in den Schoß gelegt haben. Überhaupt, warum etwas tun, wenn es gut läuft. Aber gerade in guten Zeiten muss man an die schlechten denken. Und es wurde schlechter, sehr viel schlechter.

Aber wo bleibt der Lernerfolg? Statt auf den Weg der Wirtschaftstugend zurückzukehren, wird sogar das Leitbild eines anstrengungslosen Wohlstands an die Wand gemalt. Wie aber soll Deutschland zukünftig im globalen Wettbewerb bestehen, wenn Leistung schon in jungen Jahren in Schulen und Sportstätten nicht gefördert wird. Und es geht auch um Belohnungsmechanismen. Arbeit muss finanziell so attraktiv sein, dass man sie einem Leben mit bedingungslosem Einkommen eindeutig vorzieht. Diesen Leuten kann man noch nicht einmal einen Vorwurf machen, denn sie verhalten sich ja ökonomisch klug. Doch ist dies denjenigen gegenüber unfair, die diese Bedingungslosigkeit mit bedingungsloser Arbeit bezahlen.

Wenn sich in den Köpfen der Menschen durchsetzt, dass sich Arbeit und Leistung immer weniger lohnt oder diese – auch Privateigentum – durch staatliche „Gerechtigkeit“ möglichst großzügig wegbesteuert wird, geht die gesamte Volkswirtschaft langsam, aber sicher den Bach herunter. Es gibt kein historisches Beispiel, das etwas Anderes nahelegt. Unsere Konkurrenten werden uns überrunden, die Wohlstandsmedaillen gewinnen und wir nur wertlose Blechorden abbekommen.

Doch es gibt Grund zur Hoffnung. In Umfragen ist Wirtschaft wieder das wichtigste Anliegen. Die Menschen erkennen, dass das Schlaraffenland mit anstrengungslosem Wohlstand nur ein Märchen ist, nicht die Realität.

Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG: https://www.roberthalver.de/Newsletter-Disclaimer-725

Zurück

Weitere News

  • 19. Dezember 2024

    Federal Reserve Bank
    FOMC Meeting Schlussfolgerungen des FMM Investment-Office
  • 13. Dezember 2024

    SEASONAL-INSIGHTS
    Schließen die Märkte das Jahr 2024 auf einem Höhenflug ab?
  • 13. Dezember 2024

    Martin Utschneider Daily DAX
    Martin Utschneiders vorbörsliches DAX Update 13.12.2024: Fibonacci-Projektion & Unterstützungs-„Treppe“
  • 12. Dezember 2024

    Finanzwoche Dr. Jens Erhardt bei FollowMyMoney
    Finanzwoche vom 12.12.2024
  • 12. Dezember 2024

    Professional Asset Manager Paul Pleus
    Paul Pleus Monatsbericht: November 2024

Mit einem Depot bei FollowMyMoney können Sie Ihr Geld breit gestreut in die Werte Ihrer Wahl anlegen und am Wachstum der Märkte teilhaben. Egal, ob Sie über einen ETF einen Index oder eine Branche abbilden, gezielt Einzelaktien von Erfolgsunternehmen kaufen oder in den neuen, zuletzt stark expandierenden Kryptomarkt investieren.

Bauen Sie Ihr Vermögen strategisch auf. Entsprechend Ihrer persönlichen Anlageziele und mit den Kombinationsmöglichkeiten unserer Angebote auf FollowMyMoney.

Wealth Management mit FollowMyMoney Dashboard-Screen

Disclaimer
Diese Inhalte dienen ausschließlich Informationszwecken. Es handelt sich nicht um Empfehlungen oder eine Aufforderung zum Kauf von Finanzprodukten. Diese Inhalte stellen ausschließlich die Meinung des Autors dar. Es handelt sich dabei nicht um eine Beratung irgendeiner Art (weder steuerrechtlich noch hinsichtlich der Allokation Ihrer Finanzen, der Tätigung eines Investments oder ähnlichem). Dieses Informationsangebot kann keine individuelle Beratung ersetzen und ist auch nicht als solche gedacht. Wir übernehmen keine Verantwortung und keine Haftung für Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen, die der Nutzer aufgrund dieser Website und der darin enthaltenen Informationen trifft.

Investoren sind angehalten, vor einem Investment selbstständig zu recherchieren und sich fachkundigen Rat einzuholen.

Aus vergangenen Wertentwicklungen können keine verlässlichen Aussagen über zukünftige Wertentwicklung gemacht werden. Alle Daten und Informationen, die verwendet wurden, hat der Autor aus eigener, subjektiver Betrachtung als angemessen erachtet. Sie wurden jedoch keiner neutralen Prüfung unterzogen, und es wird keine Haftung und keine Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit übernommen. Die Anlage in Finanzinstrumente ist risikobelastet und kann zum Teil- oder Totalverlustes des eingesetzten Kapitals führen.

Bitte beachten Sie unsere Risikohinweise auf https://followmymoney.de/risikohinweise sowie Informationen zu Anlageempfehlungen unter https://followmymoney.de/informationen-zu-anlageempfehlungen/.