HALVERS WOCHE
Robert Halver
9. September 2025
Drohen vom Zinsmarkt Gefahren für die Aktienmärkte?

Fast 40 Jahre lang, bis Sommer 2020 befanden sich vor allem US-Staatsanleihen im größten Bullenmarkt der Finanzgeschichte. Mit der abnehmenden Konkurrenzfähigkeit der Renditen aus dem Zinsbereich erlebten auch Aktien eine fantastisch lange Rallye. Doch längst ist aus dem Renten-Bullen- ein harter Bärenmarkt geworden. Und Besserung ist aufgrund der Marktbedingungen nicht in Sicht. Gerät der ohnehin hoch bewertete Aktienmarkt in Zins-Gefahr?
Zinspapiere sind keine sicheren Häfen mehr
10-jährige US-Staatsanleihen, die im August 2020 lediglich eine Rendite von gut 0,5 Prozent boten, liegen heute bei über vier Prozent. Da sich Preissteigerungen offensichtlich hartnäckig halten und die amerikanische Staatsverschuldung sicher nicht fällt, spricht nichts für eine Rückkehr zu den paradiesischen Zinszeiten wie früher.
Auch Europa macht in puncto Staatsschulden keine bella figura. Jetzt zeigt aber nicht Griechenland, sondern das große Euro-Kernland Frankreich seine hässliche Schulden-Fratze. Selbst Deutschland, früher starker Stabilitätsadler, ist auf dem Weg zum gerupften Huhn. Und so deutet auch in Europa nichts auf sinkende, sondern auf steigende Anleiherenditen hin.
Theoretisch müssten daher zunächst Zinspapiere in Amerika zu einer immer größeren Konkurrenz für Aktien werden. Doch auch in Europa gibt es für 10-jährige französische oder italienische Staatspapiere etwa 3,5 und für deutsche immerhin 2,7 Prozent. Mit diesen Renditen und angesichts überbewerteter Aktien im Rücken müssten sie jetzt doch ihren Status als sicherer Hafen besonders ausspielen können.
Jedoch lassen die Anleger diese vermeintlich attraktiven Renditen links liegen. Offensichtlich ist das Misstrauen gegenüber dieser früher als so sicher geltenden Anlageform groß. Mittlerweile zweifelt man an der Schuldentragfähigkeit, an der Rückzahlung ohnehin. Auch mögliche Rating-Herabstufungen für westliche Industrieländer sorgen für Verunsicherung. Längst halten sich Chinesen deutlich mit Engagements in US-Bonds zurück.
Zudem sind Anleger schon länger der Meinung, dass die Inflation in Amerika geschönt wird und keine reale Kompensation des Inflationsverlustes stattfindet. Ebenso wird für das steigende Bonitätsrisiko kein ausreichender Risikoaufschlag geboten.
Überhaupt können Regierungen überschuldeter Staaten wie Amerika keine steigenden Kreditzinsen gebrauchen. Die Finanzstabilität würde in Frage gestellt. In diesem Zusammenhang sind die Bemühungen der Trump-Administration zu sehen, die Fed von einem Falkenhorst Richtung Taubenschlag zu drehen. Leitzinsen sollen gesenkt werden, selbst wenn es dafür mit Blick auf die Inflation kaum Rechtfertigung gibt. Und ist es wirklich abwegig, mit erneuten Aufkäufen von Bonds das lange Ende staatsschuldenfreundlich zu gestalten? Und wenn die Inflation schließlich oberhalb der Zinsen liegt oder – mit böser Zunge gesprochen – dort sogar bewusst hingetrieben wird, ist der Tragbarkeit von Schulden auf jeden Fall geholfen.
Ohne Aktien fahren Anleger ein höheres Risiko
Warum sollten sich Anleger an diesem „Schulden-Humanismus“ zu Lasten ihrer Rendite beteiligen? Insgesamt sind Zinsanlagen nicht mehr wie früher die erquickende Oase für Anleger. Die Karawane zieht weiter, zunächst zur Edelmetall-Oase, zu Gold und Silber.
Erquickung bieten aber auch Aktien. Als Nominalanlageklasse profitieren sie sogar von Inflation, wenn sie nicht bekämpft wird. Man kann sogar von Inflationsschutz sprechen.
Sicherlich sind die Aktienmärkte hoch bewertet. Wenn aber die Geschäftsmodelle insbesondere bei High-Tech stimmen, sind sie auch gerechtfertigt. Tatsächlich machen sie gute Gewinne.
Der Tech-Boom beflügelt aber auch den Gesamtmarkt. Dienstleistungen, Fertigung und Infrastruktur, also die virtuelle und physische Welt, werden eine Symbiose bilden. Während virtuelle Technologie die Produktion immer effizienter macht, sorgt die physische Infrastruktur von Rechenzentren und Stromnetzen für das stabile Rückgrat der Technologie.
Diese Dynamik hat erst begonnen. Morgan Stanley prophezeit den Unternehmen im S&P 500 durch den Einsatz von KI jährliche Produktivitätsgewinne von ca. 920 Mrd. US-Dollar. Dies entspräche einem Drittel der erwarteten Gewinne für 2026. Über 10 Jahre erwartet das Analysehaus ein Wertschöpfungspotenzial von bis zu 16 Bill.
Die Verbesserung der Ertragsqualität kommt durch massive Kostensenkungen zustande, u.a. durch den Wegfall menschlicher Routinetätigkeiten, jedoch auch durch deutlich schnellere Produktentwicklungen und effizientere Wertschöpfungsketten. Am Aktienmarkt profitieren also nicht nur die „üblichen Verdächtigen“, Hard- und Software, sondern ebenso z.B. der klassische Vertrieb von Konsumgütern, die Immobilienbranche, das Gesundheits- oder Transportwesen. Unternehmen sind gezwungen, KI auf breiter Front einzusetzen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
Dies ist ein Prozess von Jahren, was das Megathema Technologisierung in der Volkswirtschaft und auf dem Aktienmarkt intakt hält. Überhaupt wird die KI selbst immer leistungsfähiger.
Zur Wahrheit gehört allerdings ebenso, dass bis zu 90 Prozent aller Arbeitsplätze von der KI beeinflusst werden. Die Automatisierung, Neuausrichtung und der Wegfall von Tätigkeiten, neue Beschäftigungsprofile und auch Freisetzungen stellen massive soziale Herausforderungen dar, die frühzeitig erkannt und denen begegnet werden muss.
Weiterhin ist davon auszugehen, dass die Investitionsrenditen am US-Aktienmarkt am größten sein werden. Und dennoch fallen andere Anlageregionen nicht durch den Rost. Zum einen werden auch sie technologische Lernkurveneffekte haben. Und zum anderen werden sie weiter dringend als Lieferanten von Rohstoffen, Basisgütern und Vorprodukten gebraucht. Auch Dividendenwerte bleiben attraktiv. So ergibt sich eine ordentliche Risikodiversifizierung.
Der Zinsmarkt als sicherer Hafen hat an Bedeutung verloren. Aus klassischer Portfoliosicht klingt es absurd. Aber Aktien bringen längerfristig mehr Sicherheit und Ertrag in das Anlagedepot.
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