HALVERS WOCHE
Robert Halver
15. Oktober 2025
Jahresendrallye, Konsolidierung, Crash?

Die Aktienmärkte gelten als überhitzt, vor allem High-Tech. Viele warten auf die überfällige Korrektur, einige prophezeien den Crash. Da kommen die neuen Handelsscharmützel zwischen den USA und China offenbar wie gerufen, um den gewünschten Druckablass auszulösen. Sind wir jetzt im Risk off-Modus? Nimmt der Bullenmarkt nachhaltig Schaden? Droht er sogar zu einem fatalen Bärenmarkt zu werden?
„Wenn über eine dumme Sache endlich Gras gewachsen ist, kommt sicher ein Kamel gelaufen, das alles wieder runterfrisst“
Amerika und China kämpfen hartnäckig um die Führungsrolle in der Welt. So droht Washington ab 1. November mit Super-Zöllen und der Ausweitung von Exportkontrollen auf kritische amerikanische Software-Güter. Neu am Handelskonflikt ist, dass Peking nicht mehr nur abwartend und defensiv reagiert, sondern jetzt mit harten Exportkontrollen für seltene Erden selbst für hörbares Säbelrasseln sorgt.
Dabei erwartete man nach einer Entspannung mit Zoll-Karenzzeiten und Annäherungen in der TikTok-Frage eigentlich einen baldigen großen Handels-Deal zwischen beiden Ländern. Doch könnte nun der Handelskrieg erst richtig eskalieren mit allen negativen Folgen für die Weltwirtschaft und die Aktienmärkte?
Amerika und China können nicht mit-, aber auch nicht ohneeinander
Die Kraft des Faktischen und der gesunde Menschenverstand sprechen grundsätzlich dagegen. Die verbal harte Zollauseinandersetzung kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass beide Streithähne im gleichen Boot sitzen. Niemand, der bei Trost ist, wird hier Löcher in den Rumpf bohren. Zunächst ist Amerika abhängig vom chinesischen Import seltener Erden. China kontrolliert aktuell über 60 Prozent der weltweiten Förderung und verfügt zu 85 bis 90 Prozent über die Raffinierungskapazitäten. Diese Rohstoffe sind unverzichtbar für High-Tech, E-Mobilität, Klimatechnologie, Smartphones, Laser oder Raketensteuerung. Zöge China die Schlinge immer enger, käme es zu einem Schock für die bislang robuste US-Wirtschaft und ihre noch robusteren Aktienmärkte, insbesondere High-Tech. Es wäre so, als ginge der Schokoladenindustrie der Kakao aus.
Auch bei Gütern des alltäglichen Lebens will Amerika nicht auf die günstigen Artikel aus China verzichten. Die Regale bei Walmart &Co. würden sich ruck zuck leeren, wenn ruinöse Zölle den chinesischen Import einbrechen lassen würden.
Doch genau dieser kaufkräftige amerikanische Exportmarkt wird von China dringend als Sorgenpause für seine darbende Binnenkonjunktur gebraucht. Zudem ist China auf bestimmte US-Technologiegüter angewiesen, über die es selbst nicht verfügt.
Aufgrund dieser gegenseitigen Abhängigkeit wundert es nicht, dass der US-Präsident verbal abrüstet und gegenüber China versöhnlichere Töne anschlägt. Die Charmeoffensive der chinesischen Seite wird zwar spröder ausfallen, doch kann ebenso China seine wirtschaftlichen Realitäten nicht leugnen.
Pack schlägt sich, Pack verträgt sich. Die eine Seite kann gegen die andere nicht nachhaltig gewinnen. Nennen wir es friedliche Koexistenz.
High-Tech und das böse C-Wort
Vor dem Hintergrund macht das Buzzword „Taco“ an den Aktienbörsen wieder einmal die Runde, wonach Trump am Ende immer nachgibt.
Aber sind High-Tech-Aktien nicht dennoch viel zu teuer, so dass eigentlich nur ein Crash wieder für gesunde Bewertungsrelationen sorgen würde?
In der Menschengeschichte gab es viele Innovationen, die wirtschaftliche Entwicklungen vorangetrieben haben. Und die heutige KI-Revolution kann nur mit den Müttern aller technischen Innovationen verglichen werden, mit der Erfindung des Rades und der Dampfmaschine.
Auch KI als neue „Dampfmaschine“ wird zu Quantensprüngen führen. Bislang steht diese Revolution erst am Anfang. Der Turbo kommt erst noch, der nicht nur High-Tech-Werten guttut, sondern auch KI-anwendende Unternehmen aller Branchen über dramatische Produktivitätsgewinne dynamisiert.
Natürlich gibt es selbst bei KI-Unternehmen neben Weizen auch viel Spreu. Aber so wie ein guter Landwirt das eine vom anderen trennt, müssen auch die Anleger differenzieren. Geschäftsmodelle müssen stimmig sein, so dass hohe Bewertungen gerechtfertigt sind. Glücksritter können im Depot maximal spekulativen Charakter haben.
Ebenso sollten Anleger von der Spreu nicht auf den Weizen schließen und darauf gründend von Blase sprechen. Viele vergleichen die heutige „Tech-Bubble“ mit der Internet-Blase oder dem Neuen Markt um die Jahrtausendwende. Damals gab es viel zu viel Stroh, heute deutlich mehr Korn.
Übrigens können sich hohe Bewertungen und meinetwegen auch Blasen hartnäckig halten. Was nichts kostet, ist eben auch nichts. Was jedoch dem Überdruck entgegenwirkt, ist eine immer breitere Aufstellung der KI-Unternehmen, wenn sie sich horizontal in ihrem angestammten Hardware- und vertikal im Software-Bereich vergrößern. Für das C-Wort, den Crash, spricht nichts.
Die Bullen sind müde, aber nicht erschöpft und die Bären nicht fit genug
Bei Betrachtung der Saisonalität beginnt ab Oktober eine fast regelmäßige Aufwärtsbewegung, die schließlich in einer Jahresendrallye mündet. Auch werden viele Unternehmen wieder ihre Rückkaufprogramme erhöhen, was Aktien im Schlussquartal Auftrieb gibt.
Und da wäre auch die US-Geldpolitik. Ihre Zinssenkungen, die auch 2026 weitergehen, heben nicht nur das Wirtschafts- und Gewinnwachstum. Sie mindern auch die Rendite von alternativen Geldanlagen, deren Volumen immer noch üppig ist.
Natürlich besteht kein Grund für ungehemmte Blauäugigkeit. Die 10 größten Titel im S&P 500 vereinen mittlerweile weit über ein Drittel des Indexgewichts auf sich, vor allem Tech-Werte. Schwarze Schwänchen wie ein verbal schwelender Handelsstreit – die Katze lässt das Mausen nicht – oder auch nur die winzigste Negativüberraschung in der laufenden Berichtssaison können den Index daher über Gewinnmitnahmen schnell in Mitleidenschaft ziehen.
Und auch die allgemeine Gewinnrendite im S&P 500 ist gegenüber Renditen von 10-jährigen Staatsanleihen ungewöhnlich niedrig. Dies könnte allerdings daran liegen, dass die Anleger mangels ausreichender Inflationsbekämpfung und nachlassender Schuldnerbonität eher auf Sachkapital setzen, wozu übrigens auch Gold und Silber gehören.
Vor dem immer noch andauernden shutdown in den USA sollte man sich nicht zu sehr ängstigen. Auch dieser wird enden und über Nachholeffekte die aktuelle wirtschaftliche Delle wieder ausgleichen.
Insgesamt ist der Bullenmarkt aufgrund seiner o.g. Potenziale noch nicht beendet, selbst wenn bis zum Jahresende auch die stärksten Bullen ab und zu eine Pause benötigen. Auch wir Anleger laufen ja nicht permanent auf Volllast.
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