
Insights
Christian Schoeppe
19. November 2025
Update Bondmärkte:
Anleger kehren Staaten den Rücken – und wenden sich Unternehmen zu

An den rund 150 Billionen US-Dollar schweren Anleihemärkten der Welt betrachten Investoren vermehrt Unternehmensanleihen als die sicherere Anlage im Vergleich selbst zu etablierten Staatsanleihen. Woran liegt das genau?
Rückblick
Im Nachgang der Corona-Pandemie haben viele Unternehmen mit steigenden Zinsen umzugehen gelernt, indem sie Ausgaben senkten und Schulden abbauten. Gleichzeitig erhöhten und erhöhen die Regierungen wohlhabender Länder seit vielen Jahren ungebremst ihre Schuldenquote: Das durchschnittliche Verhältnis von Schulden zur Wirtschaftsleistung in der G7-Gruppe dürfte bis zum Ende dieses Jahrzehnts weiter steigen.Das Ergebnis
Immer mehr führende Konzerne in Industrieländern gelten für Investoren mittlerweile als stabiler im Vergleich zu ihren jeweiligen Regierungen – erkennbar in niedrigeren Renditeaufschlägen (sog. „Risikoprämien“).Politik untergräbt Vertrauen in Staatspapiere
Der schwindende Status einst als sichere Häfen geltender Staaten – allen voran die USA – gilt als Zeichen dafür, dass poltische Schlingerkurse die Grundlage für fiskalische Disziplin aushöhlen. Jüngste Beispiele: In Frankreich scheiterten aufeinanderfolgende Premierminister daran, Sparmaßnahmen durchzusetzen, während in den Vereinigten Staaten das Haushaltsdefizit während der zweiten Amtszeit von Präsident Donald Trump über sechs Prozent bleiben dürfte. Seine unkonventionelle populistische Politik hat Investoren deutlich verunsichert.
Staaten verlieren Privilegien als sicherste Schuldner
Wegen der Möglichkeit, Steuern zu erheben und neues Geld zu drucken, bildeten Staatsanleihen jahrzehntelang das Fundament von Portfolios – mit US-Treasuries, gefolgt von deutschen oder britischen Staatspapieren. Selbst die solidesten Unternehmen galten als etwas riskanter als ihre Staaten. Doch die Schuldendynamik hat sich so stark verändert, dass diese Annahme zunehmend überholt wirkt.
In den zehn Jahren nach der Finanzkrise wuchs laut Bloomberg die Nettoneuverschuldung von Regierungen und Unternehmen etwa gleich schnell. Seit 2020 hat die Staatsverschuldung jedoch deutlich zugenommen, weil Regierungen in der Pandemie milliardenschwere Stützungsprogramme aufgelegt hatten.
Risikoaufschläge auf Tiefstand – Nachfrage bleibt hoch
Der Renditeaufschlag für globale Unternehmensanleihen mit Investment-Grade-Rating fiel laut Bloomberg im vergangenen Monat auf den niedrigsten Stand seit 2007. Trotz hohen Emissionsvolumens ist die Nachfrage enorm: BNP Paribas schätzte im September, dass die Nachfrage nach US-Unternehmensanleihen deutlich über dem Angebot liegt. Allerdings: Trotz des Booms ist unklar, ob Unternehmensanleihen in volatilen Zeiten als sicherer Hafen taugen. Die Liquidität bleibt geringer als am Staatsanleihemarkt, und Risikoaufschläge steigen mit zunehmender Laufzeit – ein Hinweis auf sinkende wahrgenommene Kreditwürdigkeit.
US-Steuersenkungen und europäische Blockaden verschärfen Defizite
Das Congressional Budget Office (CBO) schätzte im Juli, dass die von Trump beschlossenen Steuersenkungen die US-Defizite in den kommenden zehn Jahren um 3,4 Billionen Dollar erhöhen werden. In Frankreich droht eine politische Blockade, die das Defizit bis ins nächste Jahr hinein über fünf Prozent halten könnte. Selbst Deutschland umgeht inzwischen seine eigenen Haushaltsregeln, um Verteidigung und Infrastruktur zu stärken.
Unternehmen – rationaler und deswegen kreditwürdiger?
Ein Schlüsselmaß für die Kreditwürdigkeit von Unternehmen – die Nettoverschuldung im Verhältnis zum Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen – ist trotz höherer Zinsen nahe dem niedrigsten Stand seit der Finanzkrise geblieben. Für rund 2.500 Unternehmen im MSCI ACWI Index hat sich dieser Wert laut Bloomberg-Daten im ersten Halbjahr auf durchschnittlich das 1,74-Fache verbessert, nach 2,53 vor zehn Jahren. Ein niedrigerer Wert deutet auf solidere Bilanzen hin.
Dagegen steigt das Verhältnis von Schulden zu Wirtschaftsleistung in großen Volkswirtschaften weiter und dürfte laut IWF bis 2030 auf etwa 137 Prozent klettern. Das Institute of International Finance (IIF) warnte im September vor der rasch steigenden Staatsverschuldung und bezeichnete die Situation als “zunehmend schwierig für politische Entscheidungsträger, die notwendigen harten Entscheidungen zu treffen”.
Das zeigt sich auch in den Bonitätsbewertungen: Sowohl die USA als auch Frankreich wurden zuletzt herabgestuft, während Unternehmen in Nordamerika und Westeuropa so viele Hochstufungen erhielten wie seit einem Jahrzehnt nicht
Zentrale Rolle der Notenbanken
Ein weiterer Faktor ist der wachsende Einfluss der Zentralbanken entwickelter Länder, die als Käufer in den heimischen Anleihemärkten auftreten und so Regierungen eine lockerere Fiskalpolitik ermöglichen. Regierungen behalten zudem die Macht, Steuern zu erheben – und könnten diese im Krisenfall nutzen, um Mittel von profitablen Unternehmen abzuschöpfen.
Dennoch: Weltweite Anleiheinvestoren beginnen zunehmend, Regierungen mit hohen Schulden als riskanter einzustufen und sich stärker Unternehmen zuzuwenden – in der Erwartung, dass sich die Lage weiter verschlechtert. Dies ist ein grundlegender Stimmungswandel, der sich voraussichtlich fortsetzen wird, anstatt abzuklingen.
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Viele Grüße
Christian Schoeppe
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